02 Feb „Der Deal von E.ON und RWE bedroht den Wettbewerb auf dem Energiemarkt und damit die für den Klimaschutz dringend benötigte Innovationsfähigkeit“
2018 haben RWE und E.ON, die schon zuvor größten Energiekonzerne Deutschlands, einen Tausch von Geschäftsbereichen vereinbart – E.ON erhält das gesamte Netz und Vertriebsgeschäft, RWE vereint alle Erzeugungsanlagen unter einem Dach. Damit stellen die Unternehmen den Wettbewerb untereinander ein und haben nun jeweils in den einzelnen Geschäftsfeldern eine dominante Stellung. Ein Bündnis aus mehreren Regionalversorgern und der NATURSTROM AG hat daher die Genehmigung dieses Deals durch die EU-Kommission vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg beklagt. Die erste Einwendung gegen den RWE-Teil erfolgte im Mai 2020. Nun hat NATURSTROM auch gegen den zweiten Teil der Freigabe, die E.ON die Übernahme der Netz- und Vertriebsgesellschaften aus dem RWE-Konzern ermöglichen soll, Klage eingereicht, was durch die verzögerte Veröffentlichung der Genehmigungsbegründung durch die EU-Kommission eher nicht möglich war. Dr. Thomas E. Banning, Vorstandsvorsitzender der NATURSTROM AG, kommentiert die Klage:
„Vor gut 20 Jahren wurde entschieden, den deutsche Strommarkt zu liberalisieren, trotz enormer Hürden und Stolpersteine wurde daraus gerade auch durch den Einsatz unabhängiger Anbieter wie NATURSTROM eine Erfolgsgeschichte: Verbraucherinnen und Verbraucher können heute aus einer Vielzahl von Anbietern wählen, dank der parallel ablaufenden Energiewende ist die Akteursvielfalt bei der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien enorm gewachsen. Das Aufkommen neuer Unternehmen und Ideen im Energiemarkt hat zu einem enormen Innovationssprung geführt, die alten Player haben sich da nicht als Innovatoren sondern als Bremser erwiesen. Aber die Neuen im Markt konnten auch mit Hilfe der für fairen Wettbewerb sich aussprechenden Europäischen Union vormals verkrustete Strukturen aufsprengen. Und sie wurden Schritt für Schritt erfolgreicher im Markt und konnten in vielen Fällen durch ihr Engagement für erneuerbare und dezentrale Energien einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“
„Der Megadeal zwischen E.ON und RWE hat das Potenzial, diese erfolgreiche Entwicklung zu mehr Wettbewerb und besseren Bedingungen für Kundinnen und Kunden, aber eben auch für Innovationen zum Nutzen der Energiewende zurückzudrehen – der Energiewelt droht ein Rückfall in dunkle Oligopolzeiten.“
„Nachdem der erste Teil der Freigabe durch die EU-Kommission vor allem den Wettbewerb bei der Stromerzeugung bedroht und nachdem trotz der in den Wind geschlagenen Warnungen und Argumente der Kläger inzwischen auch das Bundeskartellamt RWE an der Schwelle zur Marktbeherrschung sieht, droht mit der Konzentration der Netz- und Vertriebsgesellschaften unter dem E.ON-Dach Ungemach für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die zuletzt vielfältige Stromanbieterlandschaft. Der E.ON-Konzern wird inklusive seiner Beteiligungen mit der Realisierung des Deals auf über zwei Dritteln der Fläche Deutschlands zum Grundversorger und verfügt zudem über gleich hunderte von Vertriebsgesellschaften, darunter die besonders großen eprimo und e wie einfach. Viele der E.ON-Aktivitäten und Beteiligungen sind kaum bekannt, vor allem an sehr vielen Stadtwerken hält die neue E.ON Beteiligungen und kann dadurch auch ohne Mehrheiten diese Versorger steuern. Somit zahlen die meisten Haushalte und Gewerbebetriebe in Deutschland ihre Stromrechnung schlussendlich an den Konzern nach Essen, auch wenn vordergründig gar nicht E.ON auf dem Angebot draufsteht. Wie gefährlich gerade diese Struktur ist für die Bürger und den Wettbewerb, das haben wir bereits vor 2 Jahren gegenüber der EU-Kommission vorgetragen und zumindest relevante Auflagen gefordert, wenn denn überhaupt dieser Deal zwischen RWE und E.ON genehmigt werden sollte. Zentrale Forderung unsererseits ist und bleibt, dass die Kommission eine Neubeurteilung des Vorgangs und die Festsetzung massiver Auflagen vornimmt: E.ON muss sich zumindest von allen Minderheitsgesellschaften an deutschen Regionalversorgern trennen und darf ihre Marktmacht nicht missbräuchlich einsetzen beim Wettbewerb um Netze oder im Belieferungsmarkt mit Strom und Gas. Denn ohne Wettbewerb auf Augenhöhe im weitesten Sinne gibt es bald gar keinen Wettbewerb mehr und die Kunden werden zukünftig gemolken zum Wohle internationaler Investoren, die bei E.ON das Sagen haben.“
„Aber es geht nicht nur um die großen Geschäfte mit den Stromnetzen und aus der Strombelieferung – auch in der eher kleinteiligen Versorgung vor Ort in neuen Wohnquartieren oder Gewerbeparks, im Messtellenbetrieb und damit im zukunftsträchtigen Geschäft mit Energiedaten sowie bei der Elektromobilität steht uns ohne weitere Auflagen eine Konzentration auf den Riesenkonzern E.ON und damit die Entwicklung einer beherrschenden Datenkrake a la Google im Energiebereich bevor. Wettbewerber, sofern es sie überhaupt noch geben wird, müssten sich bei Standardisierungen und Schnittstellen ganz dem Diktat des Dominators in diesen Bereichen unterwerfen. Dass sie kostenmäßig immer sehr deutlich im Nachteil sein werden wegen geringerer Abnahmemengen und damit nie eine Chance haben, Terrain gut zu machen, ergänzt das unerfreuliche Bild.“
„Die mit dem Megadeal einhergehenden Konzentrationsprozesse sind aber nicht nur für Wettbewerber und private wie gewerbliche Kunden schädlich, sondern sie bedrohen auch unsere Klimaschutzziele. RWE hat noch riesige Mengen an fossiler Kraftwerksleistung und zusätzlich noch Nuklearkraftwerke im Portfolio, Technologien, die veraltet sind und ihr Geld im Markt eigentlich nicht mehr verdienen können. Eigentlich schauen die alten Konzerne auf einen Prellbock, der schnell näher kommt, sie haben zu lange auf die alten Wege gesetzt mit dem immerwährenden Blick in den Rückspiegel und stehen wirtschaftlich nun vor einem Scherbenhaufen. Doch genau da kommt nun staatliche Unterstützung mit Zuwendungen in Milliardenhöhe und durch die Genehmigung von Megafusionen. Das hat mit fairen Bedingungen im Markt aber auch gar nichts mehr zu tun – die Politik auf Ebene der EU-Kommission und der Bundesregierung greift ein, rettet die sinkenden Ozeanriesen und opfert dafür die vielen wendigen Mittelständler und regional verantwortungsvollen Stadtwerke. Der Traum von einem durch wenige Großunternehmen und wenige Bürokraten regierten Europa macht blind für die negativen Auswirkungen und für die großartigen Chancen, die sich durch Dezentralität, Erneuerbare Energien und mehr Bürgernähe auftun.“
„Ich frage ernsthaft: Wie kann es sein, dass die EU-Kommission und das Wirtschaftsministerium in Berlin gerade den Konzernen, die sich jahrelang gegen die notwendigen Wandel der Energieversorgung mit laueren und unlauteren Mitteln gestemmt haben, für besonders befähigt hält, diese brennende Aufgabe für unser aller Zukunft zu stemmen. Wir brauchen dringend und schnell mehr Nachhaltigkeit, mehr Umweltschutz und mehr Klimaschutz in der sich rasend schnell ändernden Energiewelt. Das geht nur mit hochinnovativen, schnell agierenden, gesellschaftlich und ökologisch Verantwortung tragenden Unternehmen. Die EU-Kommission hat sich offensichtlich keine Gedanken gemacht, was die Freigabe der Fusion RWE-E.ON für das vorrangige politische Ziel, die Klimakatastrophe aufzuhalten, bedeutet. Die Entscheidung muss deshalb revidiert werden!“