Die Rolle der EU bei Unternehmenszusammenschlüssen

Die Rolle der EU bei Unternehmenszusammenschlüssen

Der Deal zwischen RWE und EON wurde von der EU-Kommission geprüft. Doch warum werden Verhandlungen deutscher Unternehmen auf EU-Ebene untersucht? Welche Transaktionen werden geprüft und wie verlaufen die Prüfungen genau? Für alle, die es genau wissen wollen, gehen wir auf diese Fragen im folgenden Hintergrundbeitrag genauer ein.

WARUM WIRD DER DEAL DEUTSCHER ENERGIEUNTERNEHMEN AUF EU-EBENE GEPRÜFT?

Neben der deutschen Kartellbehörde spielt die EU-Kommission bei dem Deal zwischen RWE und E.ON eine entscheidende Rolle. Die Kommission ist nämlich für einen fairen Wettbewerb innerhalb der Europäischen Union im Allgemeinen, und die Überprüfung von (Teil-)Fusionen im Speziellen, zuständig. Da die EU-Kommission arbeitsteilig aufgebaut ist, beschäftigen sich sogenannte Generaldirektionen mit einzelnen Geschäftsbereichen, die den verschiedenen EU-Kommissaren unterstellt sind. Für die Überprüfung von Fusionen und Transaktionen obliegt die Verantwortung der „Generaldirektion Wettbewerb“ mit der Dänin Margrethe Vestager als verantwortlicher Kommissarin. Die Aufgabe dieser Generaldirektion ist es, im Namen der EU-Kommission die EU-Wettbewerbsvorschriften des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) zu kontrollieren und durchzusetzen.

Die gesetzliche Basis, die beim Fusionskontrollprozess angewandt wird, ist die Verordnung des Europäischen Rates Nr. 139/2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen. Dabei verfolgt die Wettbewerbsbehörde das Ziel, dass das Marktgleichgewicht nicht auf eine Weise gestört wird, die möglicherweise den Wettbewerb verfälscht und zu einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens führt, was sich nachteilig auf die Verbraucher*innen im europäischen Raum auswirken kann.

WELCHE FUSIONEN UND TRANSAKTIONEN WERDEN DURCH DIE EU ÜBERPRÜFT?

Es werden nicht alle (Teil-)Fusionen und Übernahmen in der EU von der Kommission geprüft, die Anzahl wäre viel zu hoch. Geprüft wird jeder Zusammenschluss, aus dem ein Unternehmen hervorgeht, welches einen gewissen globalen bzw. europäischen Jahresumsatz überschreitet. Dabei gibt es zwei Wege diesen Schwellenwert zu erreichen, wobei jeweils alle Bedingungen erfüllt sein müssen:

  1. Kombinierter weltweiter Umsatz aller fusionierenden Firmen von über 5 Milliarden Euro, und
    einen EU-weiten Umsatz von mindestens zwei der Firmen von über 250 Millionen Euro.
  2. Kombinierter weltweiter Umsatz aller fusionierenden Firmen von über 2,5 Milliarden Euro, und
    -einen kombinierten Umsatz aller fusionierenden Firmen von über 100 Millionen Euro in jedem von mindestens drei Mitgliedsstaaten,
    -einen Umsatz von über 25 Millionen Euro von mindestens zwei Firmen in jedem in b. genannten drei Mitgliedsstaaten, und
    -einen EU-weiten Umsatz von mindestens zwei Firmen von mehr als 100 Millionen Euro.

Zusammenschlüsse, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, fallen unter den Aufgabenbereich von nationalen Institutionen, wie zum Beispiel dem Bundeskartellamt in Deutschland. Auf EU-Ebene entscheidet die Kommission durchschnittlich über circa 300 Fusionen jedes Jahr. Im folgenden Abschnitt wird die Arbeitsweise für eine Überprüfung von einem Zusammenschluss skizziert.

WIE VERLÄUFT EINE ÜBERPRÜFUNG?

BENACHRICHTIGUNG DER EU-KOMMISSION
Der Beginn des gesamten Prozesses ist die Benachrichtigung der EU-Kommission. Jeder geplante Zusammenschluss mit einer europäischen Bedeutung nach den oben genannten Parametern muss der zuständigen Behörde mitgeteilt werden.

PHASE I: UNTERSUCHUNG
Nach der Benachrichtigung hat die Kommission 25 Arbeitstage, um den Deal zu analysieren. Die sogenannte „Phase I Untersuchung“ beginnt. Während der Frist werden Informationen von den beteiligten Unternehmen und von Dritten angefragt. Außerdem werden Fragenkataloge an Wettbewerber und Kunden verschickt, um deren Meinungen in den Entscheidungsprozess einfließen zu lassen. Damit werden die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den jeweiligen Markt und die Rolle des zukünftigen Unternehmens ermittelt. Falls es Bedenken seitens der Prüfer um den fairen Wettbewerb gibt, wird den Firmen die Möglichkeit gegeben, Vorschläge zu machen, die die Marktlage modifizieren bzw. Wettbewerb sicherstellen. Ein Beispiel für solch eine Maßnahme wäre der Verkauf eines Teils von einem oder mehreren Unternehmen.

Es gibt zwei Möglichkeiten wie das Urteil von Phase I lauten kann:

  1. Die Fusion ist genehmigt, mit oder ohne Nachbesserungen. Wobei in 90% aller Fälle bereits in Phase I die Fusion bewilligt wird, meistens ohne Einschränkungen.
  2. Die EU-Kommission hat weiterhin Bedenken über die möglichen Auswirkungen auf den Markt und eröffnet eine „Phase II Untersuchung“.

PHASE II: UNTERSUCHUNG
Eine Phase II Untersuchung ist eine vertiefte Analyse der potenziellen Effekte einer Fusion. Die Kommission baut auf den Erkenntnissen der Phase I auf und weitet sie noch aus. Interne Dokumente der beteiligten Firmen werden untersucht, umfangreiche Datenanalysen zum betroffenen Markt werden durchgeführt und weitere Fragebögen werden an zusätzliche Marktteilnehmer verteilt. Eine solch umfangreiche Untersuchung benötigt mehr Zeit – daher liegt die Frist nicht bei 25 Arbeitstagen wie in der Phase I, sondern bei 90 Arbeitstagen, in denen die Kommission zu einer Entscheidung kommen muss. Neben der vertieften Analyse zu den Auswirkungen auf den Markt wird in dieser Runde auch die vermeintlich höhere Effizienz, die durch die Fusion entstehen soll, untersucht. Falls die Gewinne durch die erhöhte Effizienz für die Kunden*innen größer sind als die negativen Effekte der mit der Fusion einhergehenden Marktverengung, wird dieser Fakt mit in die finale Entscheidung einbezogen. Ähnlich wie in Phase I können Maßnahmen auferlegt werden, um die Erlaubnis zur Fusion zu bekommen.

Somit bleiben am Ende der Phase II Untersuchung diese Optionen:

  1. Die Fusion ist ohne Vorbehalt genehmigt.
  2. Die Fusion ist unter der Bedingung von Nachbesserungen genehmigt.
  3. Die Fusion wird nicht bewilligt, da der faire Wettbewerb gefährdet wäre.