„Viel Getöse um Nichts“ – oder die Arroganz der Macht

„Viel Getöse um Nichts“ – oder die Arroganz der Macht

Es folgt ein Meinungsbeitrag von Herrn Gunnar Harms, Vorstandmitglied des Bündnis Bürgerenergie e.V.

“Viel Getöse um Nichts.” Mit genau diesen Worten hat Herr Spieker als Finanzvorstand von E.ON die aus marktstruktureller Sicht absolut gerechtfertigte Kritik an der wachsenden Marktmacht von E.ON und RWE durch den mutmaßlich rechtswidrigen „Innogy-Deal“ vor einigen Wochen pauschal diffamiert.
Weder E.ON noch RWE wollen offenbar verstehen, dass die soziale Marktwirtschaft – und nicht etwa die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung – die wirtschaftliche Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist und deren Stabilität sichert.

Das Wappentier dieser Unternehmen scheint jedoch die Raupe Nimmersatt zu sein.

Im Windschatten einer deutschen Wirtschaftspolitik, die sich nahezu ausschließlich auf das Wohlergehen ihrer “Nationalen Champions” fokussiert, ist das auch wenig verwunderlich. Die schnelle, quasi vorauseilende, extrem fragwürdige Zustimmung der Kartellbehörden ermuntert zusätzlich. Deren schnelle Entscheidung steht in scharfem Kontrast zur Begründung, die erst sehr viel später vorgelegt wurde. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob man sich erst etwas aus den Fingern saugen mußte, um die Entscheidung nachträglich rechtfertigen zu können? Allein das hat schon ein „Geschmäckle“, wie es der Volksmund so verharmlosend umschreibt.

Die bislang beispiellose einseitige Parteinahme der Bundesregierung im Verfahren vor dem EU-Gericht aber schlägt dem Fass den Boden aus. Noch nie zuvor hat sich die Politik so dreist für den Zweck der Wettbewerbsbehinderung durch Großunternehmen missbrauchen lassen.

Ein Erfolg des exzessiven energiepolitischen Lobbyismus dieser Unternehmen, der an organisierte Kriminalität zu Lasten der Allgemeinheit unter Zuhilfenahme der Politik grenzt.

Die Einschränkung des Lobbyismus von Großunternehmen und ihrer Verbände ist daher auch – und hier ganz besonders – eine Frage der politischen Hygiene.
Die Frage lautet zugespitzt: Fairer Wettbewerb oder gezielter Marktmissbrauch? Die Bundesregierung hat sich hier offenbar für die Unterstützung von Letzterem entschieden. Das ist eine unmittelbare Gefahr für den Rechtsstaat.

Warum ist das gerade im Fall von E.ON und RWE von besonderer Bedeutung? Da hilft ein Blick auf das bisherige, langjährige Verhalten dieser Unternehmen im Wettbewerb, den die zuständigen Kontrollbehörden offenbar unterlassen zu haben scheinen:

Insbesondere vor dem Hintergrund der bisherigen Vorkommnisse bei E.ON (z.B. Durchpeitschen der Fusion mit Ruhrgas 2002 im Stil einer sehr kreativen Form von Korruption, nachgewiesenem Siegelbruch in Brüsseler Büroräumen 2008 etc.) ist die Frage nach dem Stellenwert von Recht und Gesetz in den an diesem Deal beteiligten Unternehmen zu stellen.

Siehe dazu auch:
„E.ON und Ruhrgas kaufen sich frei“
„E.ON übernimmt Ruhrgas nach außergerichtlicher Einigung“
„E.ON muss 38 Millionen € Strafe wegen Siegelbruch zahlen“

Der „Ruhrgas-Deal“ zeigt bereits: Unbequeme Wettbewerbsangelegenheiten werden lieber mit Geld von den Gerichten ferngehalten, als sich rechtsstaatlichen Entscheidungen zu unterwerfen.

RWE geht nach seinen Werbeaussagen gern voran und ist insbesondere mit dem „Vorangehen“ bei der rechtlich, ordnungspolitisch und stromwirtschaftlich extrem umstrittenen Einpreisung von kostenlos zugeteilten CO2-Zertifikaten unrühmlich in die Geschichte der fragwürdigen Wettbewerbsverzerrungen und -beschränkungen eingegangen.

Siehe auch:
„RWE: Kartellamt mahnt wegen CO2-Einpreisung ab“

Beide Unternehmen hatten sich bei der Manipulation der EEX-Preise durch Kapazitätszurückhaltung selbst nicht zurückhalten können – und damit schnelles Geld verdient.

Siehe auch:
„Strafanzeigen gegen E.ON und RWE wegen Manipulierung der Strompreise“

Diese Beispiele sollen hier zunächst reichen – die Aufzählung des Missbrauchs der eigenen Marktdominanz ist aber noch lange nicht abschließend.

Vor dem Hintergrund dieser recht unrühmlichen Historie wären sowohl Wettbewerbsbehörden als auch Politik gut beraten gewesen, den ganzen Komplex der Übernahme und Aufteilung von Innogy mit den nachfolgenden „Strukturanpassungen“ in den Unternehmen mit mehr Sensibilität besonders kritisch zu würdigen. Die bisherigen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und Erfahrungen gerade mit den Unternehmen E.ON und RWE hätten deutlich stärker in den Blick genommen und in die Bewertungeinbezogen werden müssen.

Es sollte auch hier der Grundsatz gelten, den wir aus dem Strafrecht kennen: Für die Strafzumessung und die Prognose des nach der Verbüßung zu erwartenden Verhaltens spielt das bisherige Verhalten des Delinquenten eine ganz entscheidende Rolle.

Es bleibt daher, zu hoffen, dass dieser Grundsatz zumindest im derzeit laufenden Gerichtsverfahren gegen die allzu leichtfertigen Entscheidungen der Kartellbehörden entsprechend Würdigung findet.